Der Italiener Marco Todeschini ist ein Ukulelenbauer, wie er im Buche steht. In seiner Antica Ukuleleria entstehen Instrumente, die nicht nur fabelhaft aussehen, sondern auch so klingen. Der Weg dahin ist eine Kombination aus Handwerkskunst und Lasertechnik.
Ukulelen sind das letzte, was einem einfällt, wenn man das Ortsschild von Grezzana passiert. Das Industriegebiet nahe Verona versprüht nur wenig Urlaubsflair; Fabrikhallen und breite Straßen führen Menschen eher zum Arbeiten als zum Dolce Vita in diesen Teil Italiens.
Einer, der das eine mit dem anderen verbindet, ist Marco Todeschini. Seit dem Februar 2016 lebt er hier seinen Traum. In einer so genannten Fablab teilt er sich die Räumlichkeiten und Maschinen mit Kreativen aus den unterschiedlichsten Disziplinen.
In guter Gesellschaft
In der „offenen Werkstatt“ entstehen neben Ukulelen auch Kleider, selbstprogrammierte Prototypen aus dem 3D-Drucker und Kunstwerke aus Papier. Regelmäßige Austauschabende, auf denen die Fablabkollegen sich gegenseitig ihre Produkte und Fähigkeiten präsentieren, sorgen immer wieder für Kooperationen.
Die Stofftaschen von Marcos Sopranino-Modell Allegro beispielsweise sind eine Zusammenarbeit mit der Schneiderin Silvia; die Bodenzettel seiner Ukulelen kommen von Freundin Sonia, die im Nachbarraum hochwertiges Papier herstellt.
Buongiorno!
Die Deutschen lieben es, wenn sie in ihrer Lieblingspizzeria vom Küchenchef höchstpersönlich per Handschlag begrüßt werden. Ebenso freue ich mich über Marcos herzlichen Empfang in seiner Antica Ukuleleria. Um bei der Geburt meiner vor einigen Monaten in Auftrag gegebenen Sopranukulele dabei zu sein, bin ich selbst nach Italien gereist.
Wenn man die Fablab betritt, sind es die Holzdüfte aus Marcos Werkstatt, die einem als erstes in die Nase steigen. Dass hier heute Ukulelen statt Lauten oder Gitarren entstehen, ist einem glücklichen Zufall zu verdanken.
Noch während seines Instrumentenbaustudiums in Mailand ging seine Freundin Sonia 2011 für ein Au-pair-Jahr nach Amerika. Für die Reise wollte er ihr ein möglichst kompaktes Instrument mit auf den Weg geben. Eine Gitarre ist es nicht geworden. Der Rest ist Geschichte. Seit 2012 baut Marco ausnahmslos Ukulelen.
Schweres Gerät
Gleich zu Beginn führt Marco mich in den Maschinenraum. Hier stehen CNC-Fräse, 3D-Drucker und andere hochmoderne Gerätschaften stets einsatzbereit. Welche der Maschinen für seine Arbeit relevant sind, zeigt mir Marco am Beispiel zweier noch grober Holzplatten.
Für Boden und Decke meiner Antica-Ukulele in spe hat mir Marco zwei besonders schöne Einteiler aus italienischer Zypresse und Fichte ausgesucht. Viele seiner Hölzer sind aus heimischen Gefilden. Der Grund dafür liegt nahe: Der Wald, aus dem bereits Stradivari seine Fichtendecken bezog, ist direkt nebenan.
Am Anfang war der Laser
Zurück im Maschinenraum: Das Zuschneiden von Decke und Boden meiner Ukulele erfolgt standesgemäß per Laser. Im nächsten Schritt bringt Marco die Hölzer grob auf Stärke. Das geschieht vergleichsweise unspektakulär mit einer elektrischen Schleifmaschine wie sie auch Instrumentenbauer ohne Fablab verwenden.
Was in den nächsten Wochen folgt, ist reine Handarbeit. Lange nicht alles, was in der Fablab möglich wäre, gibt Marco in Maschinenhände. Traditionsmarken wie Kamaka und Koaloha fertigen auch die Hälse ihrer Serienproduktionen per Knopfdruck. Für Marco ist das keine Option.
Schon allein, weil ihm das Hobeln und Schnitzen des Halses viel zu viel Spaß bereitet. Jedem seiner Instrumente, auch den günstigeren, spendiert er ein freihändig gearbeitetes Halsprofil. Auf diese Weise sind auch seine Serienmodelle ganz auf die Bedürfnisse des individuellen Spielers abgestimmt.
Um sich das Handwerk zu erleichtern, hat Marco für viele Arbeitsschritte so genannte Patagarri, angefertigt. Das Wort steht in keinem italienischen Wörterbuch, ist unter Instrumentenbauern in Italien jedoch wohl bekannt und steht für kleine Hilfsmittel und Werkzeuge, die das Handwerkerleben erleichtern.
Serie statt Custom
Ohnehin muss es nicht immer eine Sonderanfertigung sein. Die außergewöhnliche Qualität einer Ken-Timms-Ukulele ist schließlich auch darauf zurückzuführen, dass ihr Erbauer seit Jahren immer wieder dasselbe Instrument kopiert.
Marco reproduziert nur seine eigenen Modelle. Von der Kopfplatte über die rattenscharfe Taille bis hin zum in alle Richtungen gebogenen Boden. Was Marcos Ukulelen von anderen unterscheidet, ist vor allem ihr entschiedenes Design.
Dabei ist nichts in Stein gemeißelt; nicht mal in Holz. Auch seine Serienmodelle entwickelt Marco kontinuierlich weiter. Seine futuristisch anmutenden UFOs (Ukuleles From Outer Space) beispielsweise haben in ihrer Konstruktion eine 180-Grad-Drehung hingelegt.
Gleiches gilt für die Lackierung seiner Instrumente. Nach anfänglichen Experimenten mit Nitrolack, setzt Marco heute, wo er nur kann, auf Natur. Neben Schellack kommen dabei auch unterschiedliche Öle und Wachse zum Einsatz. Das Ergebnis ist ein seidenmattes Finish, das die schönen Hölzer in ihrer natürlichsten Form in Szene setzt.
Blick nach vorn
Marco glaubt an das, was er tut, das merkt man in jedem Moment, den man ihm bei der Arbeit zusieht. Hier schafft ein hochmotivierter und hochprofessioneller junger Mann, der mit sich und seiner Arbeit im Reinen ist und mindestens die Ukulelenwelt zu einem (noch) besseren Ort machen möchte.
Mit seiner ausgezeichneten Ausbildung als Basis, viel Talent und Geschick sowie einer Innovationsfreude, wie sie wohl nur Ukulelenbauer seiner Generation an den Tag legen, kann, nein, darf da eigentlich nichts schiefgehen.
Marcos größter Traum ist es, eines Tages eine Ukulele für James Hill zu bauen. Dem wohl bekanntesten Ukulelenspieler der Welt würde er sogar ein Baritonmodell widmen. Bescheiden wie er ist, werde bis dahin jedoch sicher noch einige Zeit ins Land ziehen, sagt er.
Meine Antica-Ukulele aus Zypresse trägt die Nummer 134. Ich kann nicht in die Zukunft blicken, und meistens kommt es anders als man denkt. Trotzdem fällt es mir schwer, mir vorzustellen, warum der besten Ukulelenspieler der Welt nicht schon mit Nummer 135 mehr als zufrieden wäre.
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