Der Gitarrenbauer Dirk Jungbluth bietet Workshops an, bei denen Teilnehmer eine Ukulele nach eigenen Vorstellungen verwirklichen können. Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Das Versprechen: Bei klö...
Die Ukulele hat portugiesische Vorfahren. Beide Elternteile leben noch heute, getrennt von ihrem Kinde, auf der Vulkaninsel Madeira. Wer dort Ahnenforschung betreibt, wird jedoch nur über Umwege fündig. Zeugnisse der Ur-Ukulele finden sich eher abseits eingetretener Touristenpfade.
Eine Spurensuche
Es sind 25 Grad, als wir am Cristiano-Ronaldo-Flughafen in Funchal ankommen. Madeira bietet das ganze Jahr über perfektes Klima, um zum Weltfußballer des Jahres aufzusteigen. Wie von hier aus die Ukulele ihren Siegeszug in die Welt antreten konnte, ist weit weniger bekannt.
Was im Jahr 1879 mit dem Aufbruch portugiesischer Plantagenarbeiter beginnt, endet wenige Monate später im Hafen von Honolulu mit der Geburt der Ukulele. Der Beginn einer Ära. Das muss sich so eine kleine Insel mitten im Atlantik doch an jeder Biegung auf die Fahnen schreiben. Oder etwa nicht?
Martin, wie die Ukulele
Unsere erste Ukulele finden wir in der Pukiki Bar nahe Calheta. Was für ein Zufall, erst vor kurzem hatte ich in einem Beitrag auf Ukulele Underground davon gelesen, dass die beiden Besitzer, Carla und Martin, eine Nunes-Ukulele suchen, um sie in ihrer Bar auszustellen.
Jetzt lernen wir sie persönlich kennen. Seit 2015 leben die beiden hier ihren Traum und möchten dafür sorgen, die Ukulele auf Madeira bekannter zu machen. Das ist sie kurioserweise nämlich kaum. Weder in unserem Hotel noch in der Touristeninformation in Funchal weiß man, was außer Vulkanerde Madeira und Hawaii noch miteinander verbindet.
Martin und Carla kennen jedes Detail. Die Vitrinen und Wände ihrer Bar sind voll von historischen Illustrationen, Tiki-Krügen und anderen ukeligen Utensilien. Selbst einen eigenen Cocktail widmen die beiden dem portugiesischen Geschenk an Hawaii. Die Nachbildung aus Ton hat Strohhalme anstatt Saiten und reicht für bis zu vier Personen.
Auch die Nunes-Ukulele ist mittlerweile gefunden. Nachdem Carla und Martin bereits Anfang des Jahres eine Sopranukulele aus Koa von Leonardo Nunes (ca. 1917) ausfindig machen konnten, gehört seit neuestem auch ein Original seines Vaters Manuel Nunes zum Inventar. Die einzige auf der Insel, die den langen Weg von Hawaii zurück nach Madeira gefunden hat. „M. Nunes & Sons", heißt es auf dem Bodenzettel: „Inventor of the Ukulele“ (dt. Erfinder der Ukulele).
Roberto und Roberto
Während unseres ersten Besuchs in der Hauptstadt Funchal finden wir keinerlei Überraschungen mit vier Saiten. Die Touristenläden sind voll von Korkhüten vom portugiesischen Festland; hier und da gibt es eine Cristiano-Ronaldo-Statue. Eine Ukulele finden wir nicht mal auf einer Postkarte.
Dann gibt man uns einen heißen Tipp: Nahe der Altstadt sei eine Art Verein, der sich mit den traditionellen Musikinstrumenten Madeiras beschäftigt. Einen Anruf später stehen wir auf der Gästeliste für eine Live-Probe am nächsten Abend. Angekündigt sind Roberto Moritz und Roberto Moniz, die zwei virtuosesten Saitenakrobaten der Insel.
Als wir im Keller der Associação Musical e Cultural ankommen, werden wir bereits erwartet. Bevor das Schauspiel beginnt, zeigt uns Roberto Moniz noch allerhand traditionelle Saiteninstrumente aus aller Welt – vom portugiesischen Cavaquinho bis zur Koa-Ukulele aus Hawaii ist alles dabei. Ein besonderer Schatz ist eine über 100 Jahre alte Machete aus Madeira. Eine Bestätigung dafür, dass Liam bei seiner Nachbildung erstklassige Arbeit geleistet hat.
Wie einst die Brüder Grimm gehen die beiden Robertos mit ihrem Bandprojekt Xarabanda auf Streifzug. Dabei sammeln sie jedoch keine hessischen Märchen, sondern die alten Volkslieder Madeiras. Diese lassen sie sich von Einheimischen vorsingen, um sie dann professionell einzuspielen und so für die Nachwelt zu erhalten. Nach Kinder-, Arbeits- und Weihnachtsliedern arbeiten sie aktuell an Aufnahmen von Liedgut, das in romantischer Tradition fast vergessene Geschichten der Insel erzählt.
An diesem Abend spielen sie nicht als Xarabanda, sondern in reduzierter Besetzung als Quarteto Moritz, bestehend aus Braguinha, Bass, Keyboard und der doppelchörigen Madeira-Gitarre Viola d'Arame. Der Höhepunkt des Abends ist ein Lied über die „25 Fontes“, einem magischen Ort Madeiras, den wir rein zufällig erst am Vortag besucht hatten.
Der Granmestre von Funchal
Am nächsten Tag besuchen wir Carlos Jorge Pereira Rodrigues. Er ist der Mann hinter der Braguinha von Roberto Moritz, der wir am Vorabend lauschen durften. Carlos ist der älteste Instrumentenbauer der Insel. Seit über vierzig Jahren hält er die Tradition von Rajão, Viola d'Arame und vor allem von Machete und Braguinha am Leben.
Als wir um kurz nach zehn in der Rua da Carreira ankommen, ist niemand da. Während wir warten, werden wir jedoch immer wieder von Einheimischen angesprochen, die uns versichern, dass der Granmestre ganz sicher gleich komme und Zeit für uns habe. Dass Carlos‘ Tür immer offen steht, davon zeugen die über 40.000 Fotos auf Facebook, auf denen er nicht nur die Baufortschritte seiner Instrumente, sondern auch seine Besucher ausführlich dokumentiert.
100 Jahre altes Holz sei besser als 30 Jahre altes Holz, verrät er uns. Deshalb kommen für seine Instrumente nur über viele Jahrzehnte abgelagerte Kostbarkeiten in Betracht. Außer Fichtenholz von lange verstummten Pianos hat Carlos auch zweckentfremdete Stücke auf Lager, die unter anderem bei Abrissen von Kneipen und eines alten Gefängnisses abgefallen sind.
Besonders heilig ist ihm das farblich an Palisander erinnernde Holz des nur auf Madeira und den kanarischen Inseln heimischen Stinkenden Lorbeerbaums. Das sei zwar nicht besonders hart und deshalb anfällig, unter Spannung zu kollabieren; für Boden und Zargen von Macheten sowie der noch kleineren Machetinhos sei es jedoch nach wie vor eine exquisite Wahl.
Bei den Saiten seiner Ur-Ukulelen setzt er, wie die meisten Musiker Madeiras, auf Fluorocarbon- anstatt traditionelle Stahl- oder Darmsaiten. Erstere seien deutlich haltbarer und würden, davon ist er überzeugt, ganz nebenbei auch den ausgewogeneren Klang bieten.
Wie viele Instrumente Carlos in seinem Leben gebaut hat, kann er uns spontan nicht sagen. Nachzählen könnte er jedoch jederzeit. Die Schalllochausparungen eines jeden Instruments sammelt er aufgereiht auf Drahtseilen wie den landestypischen Fleischspieß Espetada. Als er uns die Relikte der letzten Jahre zeigt, ist klar: Es müssen hunderte gewesen sein.
Auf bald!
Obwohl die Ukulele auf Madeira eher ein Schattendasein führt, gibt es viel zu entdecken. Nach anfänglicher Ernüchterung hat sich unser Aufenthalt mit etwas Ausdauer und Neugier doch noch zu einer Reise mit wunderbaren musikalischen Eindrücken und Orten entwickelt.
Aber, und das soll nicht unerwähnt bleiben: Auch ohne Abstecher zu Carlos, Xarabanda oder in die Pukiki Bar ist Madeira eine Reise wert. Es ist der perfekte Ort – während es hierzulande bereits stürmt und friert – mit der Ukulele auf Levadawanderung zu gehen und Erholung zu tanken.
Das Handgepäck sollte ohnehin stets reserviert sein für eine Reiseukulele nach Wahl.
Alle Adressen im Überblick
Pukiki Bar
Rua das Furnas 77
Estreito da Calheta
9370-261 Estreito da Calheta
Webseite
Pukiki Bar auf Facebook
Associação Musical e Cultural Xarabanda
Travessa Capuchinhas 4
9000 Funchal
Webseite (portugiesisch)
Levada das 25 Fontes
E.R.110 15
Rabaçal, Paúl da Serra
Gehzeit: ca. 3,5 Stunden
Tipp: Früh aufstehen lohnt. Wer seine Wanderung vor 9:00 Uhr vom Parkplatz aus beginnt, dem bleiben die Massen an Touristen erspart, die täglich zu den Wasserfällen hinunter pilgern (die kommen erst ab 9:00 Uhr).
Carlos Jorge Pereira Rodrigues
Rua da Carreira 237
9000-042 Funchal
Carlos auf Facebook
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6 Comments to “ Die Ukulele auf Madeira”
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Wie immer, sehr interessant zu lesen … und alle Adressen sind vorsorglich notiert 😉
Schön. Bin vor 2 Stunden auf Madeira gelandet und schau mal, was ich finde…
Vor allem den Besuch bei Carlos solltest du dir nicht entgehen lassen! Wenn er in der Werkstatt ist, postet er morgens ein Bild mit der „Blume des Tages“. 😉
Es fällt mir erst beim genaueren Betrachten des 1. Fotos auf:
Der „hardcore“ Ukulele-Freak trägt bei Wanderungen in bizarrer Natur KEINEN Rucksack, sondern sein GigBag samt Lieblings-Instrument.
Die Partnerin darf sich mit all dem „unnützen Kram“ abschleppen, den man sonst noch benötigt und zudem die dokumentarischen Fotos machen.
Als Entschädigung darf SIE sich dann bei den Pausen an den dargebotenen Interpretationen des Meisters erfreuen 😉
Die Ur-Ukulele ist nicht die Braguinha, sondern die Rajao. Nachzulesen hier:
Jähnichen, Gisa (2017). The History of the ‘Ukulele ‘Is Today’. A Distinct Voice in the Antipodes. Essays in Honour Of Stephen A. Wild. Edited by Kirsty Gillespie, Sally Treloyn, and Don Niles. Canberra: ANU Press, 375–406.
Link: https://www.academia.edu/33986206/J%C3%A4hnichen_Gisa_2017_._The_History_of_the_Ukulele_Is_Today_._A_Distinct_Voice_in_the_Antipodes._Essays_in_Honour_Of_Stephen_A._Wild._Edited_by_Kirsty_Gillespie_Sally_Treloyn_and_Don_Niles._Canberra_ANU_Press_375_406
Liebe Gisa,
danke für den Hinweis und den interessanten Artikel samt der tollen Literaturliste.
In meinem Text spreche ich vereinfacht von beiden Elternteilen. Form und Größe hat die Ukulele von Mama (Machete/Braguinha); die Stimmung kommt von Papa (Rajão).
Ukelige Grüße
Ludwig.