Der Traum vieler ist es, das eigene Hobby zum Beruf zu machen. Volker Grass aus Solingen hat genau das gemacht. Seit 2016 verbringt er die Hälfte seines Arbeitstages mit dem Ukulelenbau. Dass es die r...
Die Ukulele in Deutschland ist untrennbar mit dem Namen Claus Mohri verbunden. Für einen lange geplanten Bericht besuche ich den Instrumentenmacher in seiner Werkstatt in Aarbergen. Wenige Wochen später endet die Geschichte abrupt. In der Nacht zum 10. Oktober 2019 stirbt Claus Mohri im Alter von nur 66 Jahren.
Meine erste Kontaktaufnahme mit Claus Mohri unternehme ich im Sommer 2015. Wenige Wochen, nachdem ich mit dem Ukulelespiel begonnen habe, schreibe ich ihm:
Hallo Herr Mohri,
über das Forum des 1. Deutschen Ukulelenclubs bin ich auf Ihre Seite und Ihre ganz offenbar wunderbaren Instrumente gestoßen. Nun spiele ich, obgleich noch ganz am Anfang meiner Ukulelenkarriere, mit dem Gedanken, in eine Ukulele fürs Leben zu investieren. Dafür scheinen Sie mir genau der richtige Ansprechpartner zu sein.
Es folgen weitere Nachrichten, das erste persönliche Gespräch auf dem Ukulelenhotspot in Winterswijk und schon bald ein Besuch in der Werkstatt in Panrod, Aarbergen. Aus Herr Mohri wird rasch Claus und drei Jahre später habe ich nicht nur eine Ukulele fürs Leben, sondern auch den Menschen dahinter besser kennengelernt.
Immer wenn ich eine technische Frage habe oder ein paar Schnappschüsse mit Ukulelenbezug, schicke ich Claus eine Nachricht aufs Handy. Mein letztes Bild an ihn ist nichts dergleichen, sondern ein Video der Wuppertaler Schwebebahn. Wenige Tage zuvor, als ich Claus für meinen lange überfälligen Werkstattbericht besuche, stellen wir fest, dass wir beide einige Jahre unseres Lebens im Bergischen verbracht haben. Die oben zitierte E-Mail endet mit den besten Grüßen aus Wuppertal.
Die Nachricht von Claus´ Tod ereilt mich, noch bevor ich mit dem Text beginnen kann. Ein Jahr später ist nichts verloren, nichts ist vergessen. Anlässlich seines ersten Todestags möchte ich an den großen Ukulelenbaumeister Claus Mohri erinnern.
Ich – das gleich zu Beginn, lieber Claus – werde dich nie vergessen.
Was er einmal beruflich machen will, ist Claus lange Zeit unklar. Als „Sohn eines Barden“, geboren am 16. Dezember 1952 auf der berühmten Burg Waldeck, spielt Musik stets eine zentrale Rolle in seinem Leben; die Entscheidung für den Gitarrenbau jedoch ist einem glücklichen Zufall geschuldet.
Als man ihn nach der Schule zur Berufsberatung schickt, blättert der junge Claus, im Vorzimmer wartend, in einem Katalog für Lehrberufe. Der Titel des Zupfinstrumentenmachers weckt seine Neugier. Die nebenstehenden Bilder beeindrucken ihn so sehr, dass ihn das anstehende Gespräch gar nicht mehr interessiert. Am nächsten Tag stellt sein Vater ihm Max Klein vor. Der Instrumentenbauer aus Koblenz hat keine Einwände und Claus ab sofort eine Lehrstelle.
Vier Jahre später, den Gesellenbrief in der Tasche, führt es ihn für 15 Jahre nach Taunusstein. In der Willy Hopf & Co. KG (heute: Gitarrenatelier Dieter Hopf) fertigt er in der spanischen Werkstatt vor allem klassische Gitarren. Nur im Notfall muss er in die „Billigheimerproduktion“, in der Un- bzw. Angelernte – „vom Schreiner bis Fliesenleger war alles dabei“ – das Modell „Hobby“ fertigen. Von diesem „schrecklichsten Ding“ entstehen 40 Instrumente parallel: „Da hat einer 40 Decken beleistet, ein anderer 40 Böden; der nächste hat 40 Zargenkränze gemacht. In 20 Minuten hatte man dann 40 Gitarren.“
Zehn Jahre später übernimmt Claus mit einem Kollegen die Leitung der Produktion. Nebenbei, wir schreiben das Jahr 1984, macht er sich selbstständig. Nach getaner Arbeit „beim Hopf“ geht er nachmittags in die eigene Werkstatt. „Ukulelen gab es damals noch nicht“, witzelt Claus. Seine zweite Berufung folgt erst ein Vierteljahrhundert später.
„Die sehen ja aus wie deine“
Während Claus munter Gitarren und mittlerweile auch Cistern baut, macht seine Frau Susanne eine folgenschwere Entdeckung. Im Internet findet sie einen mexikanischen Instrumentenbauer, der glockenförmige Ukulelen herstellt, die den Cistern im Stile der Hamburger Cithrinchen von Claus zum Verwechseln ähnlich sind. Einziger Unterschied: Nylon- anstatt Stahlsaiten. Angefixt von der Idee, die Saitenspannung auf diese Weise deutlich zu reduzieren, beginnt Claus, sich näher mit der Ukulele zu beschäftigen. Klar, „Ukulelen gab es auch beim Klein und beim Hopf“, die ernsthafte Ausführung aber ist ihm neu.
Im ersten Schritt muss eine von Claus´ Cistern herhalten und wird kurzerhand umgerüstet. Auf den neuen Steg und die doppelchörigen Nylonsaiten folgt das erste Aha-Erlebnis: „Da war ich schon richtig Fan vom Taropatch“, erinnert sich Claus. Kurz darauf, auf dem Ukulelenfestival von Rigk Sauer in Groß-Umstadt, verkauft er seine erste „normale“ Ukulele mit vier Saiten. Als aktives Mitglied im Forum des von Raimund Sper gegründeten Ukulelenclubs macht er sich schnell einen Namen und ist fortan die Topantwort auf die Frage nach hochwertigen Ukulelen aus Deutschland.
Das absolute Lieblingsholz
Kurz nachdem ich den Koffer meiner Mohri das erste Mal öffne, ist klar: Eine zweite muss her. Um die Wartezeit zu überbrücken, beschäftige ich mich von Tag eins an mit möglichen Holzkombinationen. Meine Wahl fällt schließlich auf Koa. Bei meinem Besuch bringe ich Claus gleich zwei Sätze der nur auf Hawaii endemischen Akazienart mit in die Werkstatt. Das stark geflammte Set lässt ihn staunen; viel mehr begeistert ihn die eher unscheinbare, streifige Variante.
„Das ist schon toll“, sagt Claus. Sein „absolutes Lieblingsholz“ aber ist ein anderes und steht in Cellogröße ganz vorn an der Wand, an der seine Tonhölzer lagern: glatter Ahorn. Aus demselben Stück hat er sich einige Jahre zuvor, „für den Hausgebrauch“, endlich seinen eigenen Taropatch gebaut.
Kleine Saitenkunde
Obgleich an anderer Stelle so nachzulesen. Claus hat nie Worth-Saiten auf seine Instrumente gezogen. Bei den von ihm verwendeten handelt es sich stets um Fluorcarbonsaiten der Marke Kürschner. Wer einen Mohri-Satz probieren möchte, kann die Saiten im Onlineshop von Kürschner bestellen. Folgende Durchmesser des Typs PVF (Polyvinylidenfluorid) hat Claus für die unterschiedlichen Mensuren errechnet:
Sopran
g’ = 0,59 mm
c’ = 0,82 mm
e’ = 0,70 mm
a’ = 0,54 mm
Konzert (Taropatch)
(g’ = 0,86 mm)
g’’ = 0,54 mm
c’ = 0,82 mm
(c’’ = 0,43 mm)
e’ = 0,66 mm
(e’ = 0,66 mm)
a’ = 0,49 mm
(a’ = 0,49 mm)
Tenor
g’ = 0,52 mm
c’ = 0,78 mm
e’ = 0,62 mm
a’ = 0,47 mm
Stimmstöcke aus Buche gibt es nicht
Auf der Fensterbank in Claus´ Werkstatt steht eine alte Schachtel Zigarettenfilter. Auf dem Zettel darauf ist „Grusel“ geschrieben. Der Inhalt ist längst aufgeraucht; seither vereint die Schachtel allerlei Kuriositäten, die Claus in über 40 Jahren Instrumentenbau gesammelt hat. Von Watteresten, die eine Kundin als Piksschutz mit Klebeband um die Saitenenden einer Westerngitarre gewickelt hat, bis zu einem Stimmstock aus Buche („Das geht überhaupt nicht“). Höhepunkt der Sammlung ist eine blau-weiße Wurstkordel, die einst die gerissene Saite eines halben Cellos ersetzte. „Das ist einfach wunderbar“, sagt Claus, und meint das nicht einmal böse.
Claus hatte noch so viele Pläne. Erst 2017 hängt er seine langjährige Reparaturtätigkeit in einem Limburger Musikhaus an den Nagel, um sich fortan nur noch der Ukulele zu widmen. Gitarren, die er schließlich seit Jahren nicht mehr baut, sollen komplett von seiner Webseite verschwinden.
Am 14. August 2018 schicke ich Claus den Text über meine (seine!) Konzertukulele aus Ahorn. Sichtlich bewegt schreibt er zurück: „Das ist ein schöner Abend für mich. Weiß gar nicht, was ich sagen soll. So gelobt worden bin ich noch nie.“
Auf den Tag genau, ein Jahr später, öffnet Claus mir ein letztes Mal die Tür zu seiner Werkstatt. Wie viele Ukulelen diesen Ort verlassen haben, kann oder will er mir an diesem Tag „beim besten Willen nicht" sagen. Dass er noch niemals so gelobt worden sei aber, ist glatt gelogen. Nach Panrod zurückgekommen jedenfalls ist noch keine seiner Ukulelen.
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2 Comments to “ In Erinnerung an Claus Mohri”
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Hallo zusammen, danke für den schönen Artikel. Vermutlich habe ich die erste Ukulele bei Herrn Mohri gekauft, 2008 auf dem Festival. Es könnte die Konzertukulele sein, die auf seiner Homepage abgebildet ist. Aktuell ist sie zu verkaufen! LG Reinhard
Hallo Reinhard,
danke für diese unverhoffte Nachricht – die Ukulele ist wohlbehalten bei mir angekommen.
Lieben Gruß,
Ludwig.